GerichtverklagtBiotätowiererin
zu Schmerzensgeld
Sind
Bio-Tattoos wirklich eine zeitlich begrenzte Alternative zum ewigen
Hautschmuck oder lediglich Augenwischerei? In einem aktuellen Fall
entschied das Amtsgericht Trier aufgrund eines medizinischen
Gutachtens: Ein sogenanntes Time-Tattoo stellte sich als dauerhafte Tätowierung
heraus - die ausführende Kosmetikerin wurde zu DM 5.000,-
Schmerzensgeld verurteilt Tattoos sind hip, modisch und kaum ein Promi kommt heute noch »ohne« aus. Diese positive Entwicklung trägt dazu bei, daß durch ständige Präsenz in den Medien das Tattoo von seinem einstigen Schmuddel-Image befreit wird, daß Freunde der Tätowierkunst nicht mehr per se als Kriminelle oder als leichte Mädchen eingestuft werden. Kurz: Dadurch, daß Tattoos wie modische Accessoires behandelt werden, findet die Tätowiererei bis zu einem gewissen Grad gesellschaftliche Anerkennung. Soweit zur positiven Auswirkung dieses Trends. Damit verbundene Probleme aber ergeben sich allein schon aus der Widersprüchlichkeit der Worte »Tattoo« und »Mode«: Tattoos halten ein Leben lang - Moden ändern sich ständig.
|
Wie kann man aber nun dem Tattoo-Trend folgen, der ja nun mal durch
Celebrities, Film und Fernsehen vorgelebt wird, ohne möglicherweise
in einigen Jahren »mega-out« zu sein? Vor sieben Jahren stellte
Thomas Gottschalk in seiner Samstagabend-Show »Wetten Dass« die
vermeintliche Lösung des Problems vor: »Tätowierungen«, die nach
einiger Zeit wieder verschwinden sollen (das TM berichtete, Heft
4/94). Unter verschiedensten Namen wie »Temporary Tattoos«, »Temptoos«,
»Time-Tattoos« oder »Bio-Tattoos« werden seither vornehmlich in
Kosmetikstudios die vermeintlichen »Verschwinde-Tattoos« an den Mann
bzw. hauptsächlich an die Frau gebracht. Die Kunden wähnen sich auf
der sicheren Seite, wird ihnen doch von Kosmetikerinnen stets
versichert, das Bild auf der Haut würde innerhalb einiger Jahre - auf
präzise Zeitangaben läßt sich wohlweislich niemand ein - nicht mehr
zu sehen sein. Wie verläßlich diese Voraussagen sind, interessiert
die meisten zunächst nicht besonders - die Vorstellung, sich ohne
lebenslange Verpflichtung dem Tattoo-Trend anschließen zu können,
scheint vielen so verlockend, daß logisches Denken zunächst mal auf
der Strecke bleibt.
Oft erwogen frustrierte Kunden, die verantwortlichen Kosmetikstudios aufgrund der unrichtigen Voraussagen bezüglich der Haltbarkeit der Hautbilder zu verklagen, doch viele ließen sich von den im Vorfeld unterzeichneten umfangreichen »Einverständniserklärungen«, die vor Ausführung der Biotattoos zu unterzeichnen waren, von einer Klage abschrecken, in der Annahme, mit diesem Schriftstück mögliche Regreßansprüche aufgegeben zu haben.
Aufgrund der Einschätzung der Dermatologen gelangte der Trierer Richter Wingenfeld zu dem Urteil, daß die Behandlung der Klägerin Kerstin Bartzen durch die Beklagte eine Gesundheitsbeschädigung darstelle, die von der Einverständniserklärung der Klägerin nicht gedeckt sei. Auch im Hinblick auf die »optisch sensible Stelle« oberhalb der Brust - an der sich Frau Bartzen wohl nie eine Tätowierung hätte anbringen lassen, hätte sie gewußt, daß diese dauerhaft ist - hielt der Richter eine Schmerzensgeldzahlung der Beklagten an Frau Bartzen in Höhe von DM 5.000,- für angemessen. Das Schmerzensgeld wurde von der Beklagten inzwischen bezahlt, das Urteil wurde damit also angenommen und ist somit rechtskräftig. Einerseits für Kerstin Bartzen sicher eine sehr positiv zu wertende Entscheidung, die sich jedoch in Hinblick auf die ihr durch die »Time-Tätowierei« entstandenen Kosten wieder relativiert. Stolze 510,- Mark zahlte sie allein für das stümperhaft ausgeführte Bild, außerdem steht nun eine teure Entfernungsbehandlung mittels Laser an, deren Erfolg jedoch nicht garantiert werden kann. Obgleich das Schmerzensgeld in diesem Fall wohl gerade mal ausreichen wird, die entstandenen Kosten der Geschädigten zu decken, ist doch das Urteil des Trierer Richters von großer Wichtigkeit, da es zeigt, daß auch durch das Unterschreiben umfangreicher Einverständniserklärungen nicht auf Schadensersatzansprüche verzichtet werden muß, wenn sich Aussagen von »Time-, Bio- oder Temptoowierern« hinsichtlich der zeitlichen Haltbarkeit als unwahr erweisen. Da das Ausschleusen der Pigmente aus der Haut nach einem Zeitraum von vier Wochen, der Zeitdauer, in der sich die Oberhaut erneuert, von Dermatologen definitiv ausgeschlossen wird, könnten sich »Verschwinde-Tätowierer« also nur noch darauf berufen, daß die in der Dermis, der Lederhaut, eingelagerten Farbstoffe sich nach und nach auflösen oder ausbleichen. Doch auch unabhängig von der Überlegung, ob man möglicherweise jahrelang mit einem halbverblaßten Bild herumlaufen möchte, meldeten die Mainzer Uni-Dermatologen dieser theoretischen Möglichkeit gegenüber große Zweifel an; im vorliegenden Fall »ergeben sich zum jetzigen Zeitpunkt bei der Klägerin keinerlei Hinweise darauf, daß ein derartiger Prozeß des Ausbleichens bereits eingesetzt hätte, denn das Erscheinungsbild der Tattoowierung hat sich zwischen den beiden Untersuchungen nicht verändert.« Studien zu diesem Punkt, die wissenschaftlichen Kriterien standhielten, so die Hautärzte, lägen bislang nicht vor. Dirk-Boris
|